Premiere "Theresienstadt sieht aus wie ein Curort"

Die österreichischen Filmemacher Nadja Seelich und Bernd Neuburger stellten gestern (Montag abend) im Rahmen der Viennale 1997 ihren Dokumentarfilm "Theresienstadt sieht aus wie ein Curort" vor. Der Film erzählt, wie es einer damals 70jährigen Frau gelang, im NS-Lager Theresienstadt zu überleben. Die faszinierende Geschichte der Josefa Stibitzova wird im Jänner 1998 im Wiener Votivkino zu sehen sein.

Basis des Films "Theresienstadt sieht aus wie ein Curort" ist ein ungewöhnliches Tondokument, das die Filmemacherin Nadja Seelich vor vier Jahren in einem Prager Privatarchiv entdeckte. Es war eine Bandaufnahme aus dem Jahr 1947, auf der Josefa Stibitzova über ihr Leben im Lager berichtete. Im NS-Propagandafilm "Der Führer schenkt den Juden eine Stadt" ist Frau Stibitzova auf einer Gartenbank sitzend zu sehen. Über die Dreharbeiten berichtete sie damals in einer erhalten gebliebenen Korrespondenzkarte ihrer Familie: "Theresienstadt sieht aus wie ein Curort."

Obwohl die mehrfache Mutter und Großmutter Josefa Stibitzova 1942 bei ihrer Ankunft in Terezin - zu deutsch Theresienstadt - schon 69 Jahre alt war und am Stock ging, gelang es ihr, zur Feldarbeit eingeteilt zu werden und sich auf das Räuchern von Fischen für die Lagerleitung zu spezialiseren. So entkam die als "überaltert" geltende Frau mehrmals dem Weitertransport in die Gaskammern Polens. Drei Jahre Jahre nach der Befreiung 1945, kurz nach ihrem 75. Geburtstag, sprach Frau Stibitzova ihre Erinnerungen auf Tonband.

Der Film stellt das persönliche Schicksal und die klare Stimme der Josefa Stibitzova in den Mittelpunkt. Nadja Seelich und Bernd Neuburger kommen dabei ohne Statements oder erklärende Rückblenden aus. Bernd Neuburgers Kamera symbolisiert das Dunkel der Zeit mit wenigen schwarzweißen Bildern, während der Erzählrhythmus der tschechisch sprechenden Josefa Stibitzova durch private Fotos und Korrespondenzkarten behutsam ergänzt wird. An die Allgegenwart des Todes und die furchtbare Realität der organisierten Vernichtung erinnern Transportlisten mit Namen von Opfern. Am Ende erfährt der Zuschauer, daß die überlebende Josefa Stibitzova schließlich 91 Jahre alt wurde.

Die in Prag geborene Autorin und Filmemacherin Nadja Seelich lebt und arbeitet seit vielen Jahren in Wien. Zusammen mit dem in Salzburg geborenen Kameramann und Regisseur Bernd Neuburger drehte sie 1992 den preisgekrönten Dokumentarfilm "Sie saß im Glashaus und warf mit Steinen". Bekannt wurde das erfolgreiche Filmteam aber zuvor schon mit den vielfach ausgezeichneten Kinderfilmen "Jonathana und die Hexe", "Ferien mit Silvester" und "Lisa und die Säbelzahntiger".

Der Dokumentarfilm "Theresienstadt sieht aus wie ein Curort" wurde von der Wiener EXTRA-Film produziert und mit Geldern des Bundes, des Landes Salzburg und aus dem ORF/Film-Fernsehabkommen finanziert. Im für Jänner kommenden Jahres vorgesehenen Kinoeinsatz wird im Vorprogramm der NS-Propagandafilm "Der Führer schenkt den Juden eine Stadt" gezeigt, in dem Josefa Stibitzova als unfreiwillige Statistin mitgewirkt hat.

S.Pyrker, 28.10.1997


Anfang
Anfang

Zurück zur Homepage

© Österreichisches Film Büro